Samstag, 16. April 2022

vom Sterben und Werden


Aller guten Dinge sind drei.

Diesem alten deutschen Sprichwort folgend bildet dieser Artikel den krönenden 3.Teil, der mit den anderen beiden Teilwerken die Zauberorgel und Goethes Wiederkehr ein grosses Ganzes formt.

 Die aktuellen Ereignisse auf der Weltenbühne zeigen vielfältige Bestrebungen um einen neuen Eisernen Vorhang zwischen Ost und West aufzuziehen. (Ich begann diesen Artikel am Karfreitag 2022).

Der Begriff Eiserner Vorhang ist dabei tatsächlich aus dem Theater entliehen. Er bildet die amtlich vorgeschriebene Schranke zwischen Bühne und Zuschauerraum, klick.

Der Wikipedia-Artikel zeigt dabei den Eisernen Vorhang der Semperoper im geschichtsträchtigen Dresden. Das ist spannend, wie gleich gezeigt wird.

Während also auf der einen Seite Versuche unternommen werden einen neuen Eisernen Vorhang aufzuziehen, so fällt auf der anderen Seite ein Vorhang, der mehr geistiger Natur ist.

Der folgende Ausflug in die wunderbare Welt der Malerei entstand daraus, und ich nehme mir die künstlerische Freiheit, die hier gezeigten Werke zu einem Gesamtbild zu formen und in diesem zu lesen wie in einem Buch. Ein Bild sagt bekanntlich mehr als 1000 Worte.

Und wie bei den anderen beiden Artikeln gesellt sich auch diesmal ein passendes Motto dazu, um im wahrsten Sinne den Blick auf die Bühne freizugeben.


Vorhang auf!


*****


Das Bild Briefleserin am offenen Fenster des niederländischen Malers Johannes Vermeer führt direkt nach Dresden in die Gemäldegalerie Alte Meister.

 

 Der über das Fenster geworfene rote Vorhang und die sich darin spiegelnde Briefleserin erinnert mich zwangsläufig an die Symbolik des roten Fensters, das ein Tor in die geistige Welt ist.

 

 Wie auf Vermeers Bild klar zu erkennen ist, das rote Fenster steht nun sperrangelweit offen! Der klärende Geist der Luftepoche dringt ins Zuhause der Menschen ein und erhellt mit der Kraft des Lichtes die Finsternis. Auf den Gemälden von Vermeer wunderbar in Szene gesetzt.

Gleich rechts neben der Briefleserin wallt ein grüner Vorhang, der glücklicherweise ebenfalls offen ist, und somit erst den Blick auf die Szenerie freigibt. Dies ist schon ein erster Hinweis um welcher Art Vorhang es sich im folgenden handelt.

Der grüne Vorhang ist in der Malerei ein gern verwendetes Element, um die Schranke zwischen Himmel und irdischer Welt darzustellen.

Das Eröffnungsbild aus dem Artikel Goethes Wiederkehr zeigt Goethe mit einem Scherenschnitt in der Hand, rechts hinter ihm möchte sich ein grüner Vorhang verstecken, was ihm aber nicht so recht gelingt. Die Zeit des Sichversteckens neigt sich dem Ende zu.


 Joseph Karl Stieler malte Goethe im Jahre 1828 und schenkte der Welt somit die wohl bekannteste Darstellung vom Dichterfürsten.

Goethes Blick wandert nach rechts aus dem Bild in die Welt des Immateriellen und erinnert mich dabei frappierend an die beiden "gelangweilten" Engel des italienischen Künstlers Raffael. Das verleitete mich sogleich zu folgender Bildkomposition und nennt sich Künstlerische Freiheit, sollte mich jemals dazu Raffaels Anklage ereilen.


Und aller guten Dinge sind drei!


Die beiden Engel geniessen mittlerweile Kultstatus und verschmolzen tatsächlich mit unserer Kultur. Man findet sie wahrlich nahezu überall und sind ein treffliches Spiegelbild für unsere heutige Welt, ohne dass dies gewiss die Absicht von Raffael war. Ihrem Ausdrucke nach, ahnten sie aber schon etwas von ihrem zukünftigen Schicksal. :-)

Die beiden Engel sind im wahrsten Sinne nur zwecks Vermarktung aus dem Gesamtkontext gerissen, eigentlich sind sie Teil eines grösseren Ganzen.

Warum schauen die Engel also so verklärt nach oben?

Vorhang auf!

Sie blicken den Himmel, sie sind Teil von Raffaels Sixtinischer Madonna.

 

Erstaunlich, dieses Bild ist genau wie Vermeers Briefleserin in der Gemäldegalerie Dresden zuhause, beide Kunstwerke unter einem Dach!

Die Briefleserin wurde in den letzten Jahren in Dresden restauriert, dabei legte man einen bis dahin unsichtbaren Bildteil frei, der im Jahre 1979 durch Röntgenstrahlung entdeckte wurde.

Amor, der engelgleiche Gott der Liebe, auch Eros und Cupido genannt, nahm früher einen grossen Teil des Originalbildes ein, und wurde später von wem auch immer aus ungeklärten Gründen übermalt.

Das Bild ist nun nach sehr langer Zeit wieder heil und ganz und seit kurzem in Dresden der Öffentlichkeit zugänglich.

Links vor und rechts nach der Restauration.

 
 Die Masken sind gefallen.
Auf dem Gemälde zertritt Amor zwei auf dem Boden liegende Masken, seine linke Hand geht nach oben, jedoch wird diese vom grünen Vorhang verdeckt.
 

Glücklicherweise ist derselbe Amor auch auf Vermeers Gemälde "Stehende Virginalspielerin" zu finden.

Begleitet von der gewiss zauberhaften musikalischen Darbietung der holden Schönheit hält Amor hier eine weisse Karte in der Hand, die auf dem anderen Bild vom grünen Vorhang verdeckt wird. Die Musik vermag also den grünen Vorhang zu heben und den Blick zu klären! Möglicherweise war ursprünglich noch die Zahl 1 auf der Karte und wurde später übermalt. Dies bleibt wohl auf ewig Amors Geheimnis.

Wir sind aber auf unserem Wege weiterhin von Glück gesegnet, denn Albrecht Dürer gebiert sich nicht als gleicher Geheimniskrämer wie Amor, sondern er gibt sich dagegen als überaus kommunikativ.

Auf seinem Briefzettel teilt er uns selbstbewusst mit, er habe das Gemälde "das Rosenkranzfest", in nur 5 Monaten fertiggestellt. Wie bei ihm üblich, verewigte er sich gleich selbst mit in seinem Kunstwerk.

 

 

 Hier das ganze Bild. Dürer beobachtet aufmerksam das Geschehen, bei dem jeweils zwei Engel einen grünen Vorhang aufspannen und die Mutter Gottes krönen, während alle Beteiligten von oben aus himmlischen Sphären Rosenkoronas aufgesetzt bekommen.

 

Kurios ist die Darstellung des Baumes auf der linken Seite, er erinnert doch sehr an die Darstellung der menschlichen DNA. Ohne hier genauer ins Detail gehen zu wollen, springt dem geneigten Beobachter  eine offensichtliche Verbindung von den vielen Koronas und der DNA ins Auge.

Das Rosenkranzfest ist neben dem berühmten Feldhasen in diesem Magazin von 2020 abgebildet, das von den Künstlern zur Zeit Dürers handelt.

Zur Erinnerung: Dürers Feldhase führte im Artikel ein kleines Stück vom Himmel über den roten Riesen Beteigeuze direkt in die Kathedrale von Chartres und deren geheiligten Boden.

Dabei ist der Betrachtungswinkel entscheidend, wie man den Hasen anschaut. Es offenbart sich sodann ein kleineres Wesen unter seinem rechten Ohr.

Im obigen Magazin, das erst nach meinem Hasen-Syncpost erschien, entdeckte ich dann eines der vielschichtigsten Meisterwerke überhaupt, bei dem ebenfalls der Betrachtungswinkel eine grosse Rolle spielt.

Die Botschafter, gemalt vom deutschen Künstler Hans Holbein, dem Jüngeren. Holbein war zudem der Maler des englischen Königs.

 

Das Bild zeigt den französischen Adligen Jean de Dinteville und seinen geistlichen Freund George de Selve, der Domherr in Chartres war. Die beiden Botschafter wurden von der römischen Kirche in geheimer Mission zum englischen Königshof gesandt, um die Abspaltung der englischen Kirche von Rom zu verhindern.

Die Mission scheiterte, das Bild ist glücklicherweise geblieben. Studiert man die einzelnen Gegenstände auf dem Kunstwerk eingehender und kombiniert sie zu einem grossen Ganzen, offenbart sich der Karfreitag des Jahres 1533 und London als Zeit und Ort des gemalten Geschehens heraus.

Auf der Abbildung im Magazin fehlt sonderbarer Weise das wichtigste überhaupt, daher nun das Bild wie es heutzutage in London zu sehen ist, mit dem fehlenden linken Randstück.


Die Dame in Gleichgewicht haltender Pose macht es vor!

Genau wie Dürers Hasen sollte man auch dieses Bild aus einem veränderten Betrachtungswinkel von rechts anschauen.

Der Blick nach unten offenbart einen Totenkopf, aber schaut man mit dem gleichen Winkel nach oben, erblickt man Jesus am Kreuz. Tod und ewiges Leben, welch ein Gegensatz!

Golgatha, Ort der Kreuzigung Christi, heisst übersetzt die Schädelstätte. 

Meine Faszination für dieses Gemälde führte schlussendlich dazu, dass es nun auch bei uns zuhause unter einem Dach mit Dürers Feldhasen hängt, und mich stets an die eigene Vergänglichkeit erinnert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die beiden gelangweilten Engel Botschafter bereits in jungen Jahren verstarben. Und durch Rudolf Steiners Geisteswissenschaft wurde klar, daß man jederzeit, im Hier und Jetzt, sehr viel bewirken kann, um das nächste Leben optimal zu gestalten.

Wer mehr über die Geheimnisse dieses Kunstwerkes erfahren mag, wird in diesem Buch der Extraklasse fündig.

Ein weiteres Schlüsselelement neben dem Kruzifix und dem verzerrten Schädel ist der Boden auf dem die beiden stehen. In seiner Funktion als Domherr zu Chartres dürfte George de Selves um das tiefe Mysterium des Labyrinths in seinem zu betreuenden Gotteshaus gewusst haben.

Die beiden stehen auf einem sogenannten Cosmati-Mosaik, benannt nach einer italienischen Künstlerdynastie aus dem 12. Jahrhundert.

Das gemalte Mosaik von Holbein ist eine direkte Nachbildung, wie man es in der Westminster Abtei vorfindet.

Die Cosmati-Mosaiken bringen den Himmel auf die Erde und zeigen in wunderbarer Weise die Gesetzmässigkeiten und Harmonien des Kosmos. Ein Rudolf Steiner war von dieser großartigen Kunst sicherlich ziemlich begeistert.

Und genau im Zentrum findet man einen orangefarbenen Orb, die himmlische Sphäre darstellend, aus dem die ganze irdische Welt hervorgeht, und ganz nebenbei an Beteigeuze erinnert.


 William Shakespeare wusste um diese Symbolik des Mosaiks und seiner zugrundeliegenden kosmischen Sphärenharmonie, wie folgende Zeilen aus seinem Werk Kaufmann von Venedig zeigen:

  Sieh, wie die Himmelsflur
Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes!
Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,
Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt,
Zum Chor der hellgeaugten Cherubim.
So voller Harmonie sind ewge Geister:
Nur wir, weil dies hinfällge Kleid von Staub
Und grob umhüllt, wir können sie nicht hören.


Besonders spannend ist nun, dass das bereits stark lädierte Mosaik in Westminster während der letzten 150 Jahre von Teppichen verdeckt war, um es vor weiterem Verfall zu schützen. Das Mosaik wurde just in jener Zeit zugedeckt, als Rudolf Steiner geboren wurde. Erst in den vergangenen Jahren wurde das Mosaik kostspielig und aufwendig restauriert und ist nun nach langer Zeit der Verdeckung in unserer Zeit wieder der breiten Öffentlichkeit zugänglich, genauso wie obiger Amor von Vermeer.

Vorhang auf, die Zeit des Sichversteckens neigt sich Ihrem Ende zu...

Das bedeutet aber auch, und jetzt wird es meines Erachtens wirklich abenteuerlich, die nächste Krönung eines englischen Monarchen findet nach langer Zeit wieder auf freigelegtem Mosaik statt.

Zur Krönung von Elisabeth II war das Mosaik noch verdeckt, wie auch bei den Krönungen vor ihr.


 Der Bereich, an dem die Krönung stattfindet, nennt sich dabei auch noch Theater! Was für eine Schau! Bei diesem Theater wurde nun der Vorhang in Gestalt des Teppichs weggezogen.

Der Künstler Ralph Heimans warf mit seinem Gemälde The Coronation Theatre schon mal einen Blick auf zukünftige Ereignisse.

Auf seinem Gemälde wird sauber das Wesen des Himmlischen Mandats abgebildet.
Der Monarch steht in Verbindung mit dem Himmel (orange Sphäre) und erhält von ihm das Mandat über die Führung der Menschen, die jedoch mit grosser Verantwortung und Moral einhergeht.
Dazu sei hier ein kurzer Textauszug  aus dem Artikel die Zauberorgel wiedergegeben:
 

 In der chinesischen Tradition gibt es die äusserst spannende Lehre vom himmlischen Mandat.

Diese antike Vorstellung sagt aus, der Himmel gewährt solange Unterstützung für ein Reich, 
solange es vom Herrscher gut und ethisch sauber geführt wird.
Verkehrt sich dies jedoch ins Gegenteil oder wird pervertiert (wie jetzt),
 zieht der Himmel das verliehene Mandat zurück und übergibt es an einen anderen Herrscher.

Rudolf Steiner teilt mit, die Menschen in früheren Zeiten bedurften noch der weltlichen Führung durch Kaiser/König und der geistigen Führung durch einen Papst. Als Herrschaftssymbol dafür tragen sie die Krone.
Doch die Zeiten wandelten sich. Was früher galt, ist nun überflüssig. 
In heutigen Tagen ist jeder aufgefordert, sein eigener König und Papst zu werden und eigenständig zu denken. 

Hier an dieser Stelle ist es nun nötig, nochmals Goethe um Hilfe zu rufen. Und wie man sieht, mögen ihm die beiden Engel nun gar nicht mehr von seiner Seite weichen.

Der Brief in Goethes Hand zeigt ein Gedicht des bayerischen Königs Ludwig I:

 Ja! Wie sich der Blume Flor erneuert,
Durch den Samen den sie aus gestreuet,
Zieht ein Kunstwerk auch das andre nach,
Aus dem Leben keimet frisches Leben,
Das zum Werk gewordene Gefühl
Wird ein Neues künftig herrlich geben,
Selber nach Jahrtausenden im Gewühl.

                                 —
Im Herbste 1818                  Ludwig

 Die Zeilen des bayerischen Königs umschreiben sehr schön das beständige Werden und Vergehen. Aus Altem entsteht Neues, wie es auch das Cosmati-Mosaik in steinerner Schrift auszudrücken vermag.

Im Gegensatz zu meiner Bildkomposition nimmt auf Raffaels Bild die päpstliche Krone den Platz von Goethe ein, gleich links neben den beiden Engeln.


Ähnlich wie Mozart starb Raffael sehr früh, wohl an seinem 37. Geburtstag.

Es wird tatsächlich berichtet, er sei am Karfreitag, den 6. April 1483 geboren und am gleichen Tag, den 6. April 1520 gestorben, wieder ein Karfreitag.

 Sein Grab in Rom schmücken die Worte:

„Hier ist jener Raffael, von dem die große Mutter der Dinge [= die Natur] fürchtete übertroffen zu werden, solange er lebte, und zu sterben, als er starb.“


Eines der berühmtesten Gemälde von Raffael ist die Schule von Athen, zu finden im vatikanischen Papstpalast.


Zentrale Figuren der Denkerschule sind vermutlich Plato und Aristoteles, beide angeregt diskutierend dem Betrachter entgegenkommend und mit ziemlich schweren Buchwerk in den Händen.

Auch Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, ist mit reichlich Denkstoff unterwegs.

 

Schwerpunkte der Anthroposophie drehen sich um das Mysterium von Golgatha, um eine neue Art freiheitliches Denken und um dem Weltenplan, der sich frei nach dem Motto so langsam wie möglich in unserer irdischen Sphäre entwickeln soll. Der Weltenplan handelt vom beständigen Werden und Vergehen, bis der Himmel auf Erden errichtet ist.

Ich habe von Rudolf Steiner und seinen modernen Nachfolgern enorm viel gelernt und noch ist kein Ende in Sicht. Meines Erachtens ist es Rudolf Steiner, der den grünen Vorhang öffnet und den Blick in die geistige Welt ermöglicht.

Ho Anthropos - der aufwärts Blickende.


 

Und genauso wie die beiden Engel aus dem Gesamtkontext gerissen sind und nicht mehr das grosse Ganze im Bilde (im Bewusstsein) ist, und dies stellvertretend für so viele Bereiche in unserer modernen Zeit steht, so ist es wohl auch mit der Denkerschule von Athen. Jeder kocht sein eigenes Süppchen und ist abgespalten von dem einen Grossen.

Loslassen und gemächlich ein paar Schritte zurücktreten reicht dabei manchmal völlig aus und der Blick auf das Ganze offenbart Erstaunliches.

Alles ist miteinander verbunden.

Den heiligen Boden der Denkerschule bildet auch hier ein Cosmati-Mosaik wie in Westminster, im schöpferischen Zentrum liegt hier nicht eine orange Sphäre, sondern die beiden päpstlichen Schlüssel, welche den Zutritt zum Himmel solange schon versperrten.

Aber wie das Phänomen Sync zeigt, öffnet sich nun der Himmel. Das Fenster steht offen, der Vorhang ist beiseite geschoben.

Die Katholische Kirche hatte ihre Zeit, wie auch die englische Monarchie. Beide haben ausgedient, gehen nun den Weg ihres Todes, um dabei etwas völlig Neues hervorzubringen. Auch wenn dieser Prozess für manche zu langsam vonstatten geht, sollte man Vertrauen in den kosmischen Weltenplan haben.

 

*****


 Nun ist die Zeit des Rosenkranzfestes von Albrecht Dürer angebrochen. Jedem wird von oben eine Rosenkorona aufgesetzt, ganz individuell mal mit mehr und mal mit weniger Dornen. Zugleich mit der herausfordernden Aufgabe, König und Papst im eigenen Leben zu werden. Die jetzige Menschheit muss sterben, um neu geboren zu werden.

Obwohl ich viele Bilder bereits schon längere Zeit im Kopf hatte, entstand dieser Artikel wohl nicht ohne Grund ausgerechnet an Ostern, während just bei Veröffentlichung der Mond sich zu seinem vollen Ganzen schließt. Alles geschieht zur rechten Zeit. Diese Zeilen wollten an den Tagen geboren werden, an denen Jesus Christus mit einem Dornenkranz gekrönt wurde, starb und wiederauferstand. Ein gewaltiges Ereignis, ein mächtiges Mysterium, das im Zentrum der Entwicklung der Menschheitsgeschichte steht und das nun, von Golgatha her als gewaltiges Echo herüberklingt, in unsere jetzige Zeit hinein.

Mögen dabei ausreichend viele Menschen gesegnet sein, diese Sphärenklänge zu empfangen, sie zu verstehen um gemeinsam mit ihnen auf der Klaviatur des Lebens zu spielen.

 

 Selige Sehnsucht

Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend’ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde. 

  Johann Wolfgang von Goethe, empfangen im Jahre 1814.